Um 06:15 Uhr hat der Wecker geklingelt. Wieder liegt eine unruhige Nacht hinter uns. Das Hilton-Hotel am Pariser Flughafen hat den verblichenen Charme aus den 70er Jahren. Noch eine Dusche genommen – dann haben wir uns direkt mit dem Hotel-Shuttle auf den Weg zum Flughafen gemacht. Frühstück im Hotel kostet 22,00 Euro (pro Person). War uns zu teuer. Wir hatten den Plan, nach dem Check-in noch bei Starbucks oder McDonalds ein kleines Frühstück zu genießen.


Am Flughafen angekommen, sind wir direkt zum Check-in – um unser Gepäck aufzugeben. Was ist denn hier los? – war meine erste Reaktion. Eine unendlich lange Schlange. Alle warten – genau wie wir – um an den Check-in-Schaltern 10 -18 einzuchecken. Wir waren überzeugt, wir waren mit über 2,5 Stunden vor dem Abflug, rechtzeitig dran. Wir hätten doch schon um 06:30 Uhr da sein sollen und nicht erst um 07:00 Uhr. Felix hat einen teuren Kaffee besorgt – sonst gabs nichts. Nach 3 Stunden haben wir endlich unsere Rucksäcke aufgegeben – alles lief reibungslos – auch wenn wir ein paar Kilo Übergepäck hatten. Komisch nur, dass wir am Ende der Wartezeit so ziemlich die letzten waren, die den Check-in verlassen haben. Im Laufschritt zum Gate A29. Mit geschlagenen 3 Stunden Verspätung – also um 12:30 Uhr hat das Flugzeug dann abgehoben.
Wir hatten gute Plätze zugewiesen bekommen – in Reihe 41 in einem 2er-Sitzblock. Somit sind die Überraschungen, – links und rechts – die es ja geben kann, glücklicherweise ausgeblieben. Die Ausstattung in den modernen Flugzeugen hat einige Annehmlichkeiten – wie Video + Musik – so kann man sich die Zeit sehr gut vertreiben. Auch die Verpflegung war in Ordnung – Beef mit Nudeln und etwas Gemüse. Zum Dessert ein Mousse au Chocolat. Ein Gläschen Chardonnay und für Felix eine Coke – wir waren zufrieden.

Ich habe mit Felix die Bilder von unserer ersten Reise – vom Mai 2010 – angeschaut (das Erdbeben war übrigens am 12.01.2010). Gedanklich hat es mich nochmal in diese Zeit zurück katapultiert. Ich spüre, wie in mir diese spezielle emotionale Stimmung aufkommt. Ich bin hin und her gerissen – zwischen Haiti (und unserem Projekt in Dano – und den Menschen dort) und meinem Zuhause (meine Familie, meine Freunde, mein Umfeld).  Celine Dion begleitet mich mit ihrer sanften Stimme in meinem Hirn-, Herz- und Bauch-Kino. Toni war mit mir noch am Freitag vor der Abreise einen coolen Kopfhörer besorgen – danke dafür – das macht das Musik-Erlebnis noch genussvoller. Und zusätzlich habe ich meinen Jungen ganz nah bei mir. Ich denke gerade an ihn – eine Träne kullert mir über die Wange. Danke, dass Du auch jetzt bei mir bist. Ich weiß, dass viele Menschen in ihren Gedanken bei uns sind – sie werden uns begleiten und nah bei uns sein. Das tut gut. Es trägt mich.

Nach Haiti reisen – ist eben nicht nach Baltrum, in die Toscana oder an den Achensee zu fahren. Also dorthin, wo man weiß, was einen erwartet. Eine Reise nach Haiti ist immer auch eine Reise ins Ungewisse – und auch immer noch mit etwas Risiko verbunden. Ich spüre, wie die Spannung in mir steigt – es fühlt sich gut an. Wir werden gegenseitig aufmerksam auf uns aufpassen – das haben wir uns versprochen. Es wird alles gut gehen – wir werden Menschen begegnen, die besonders sind. Es werden außergewöhnliche Begegnungen sein.

Am Flughafen werden uns Pater Dominique (Direktor der Schule in Dano) und Emanuell (die gute Seele an Annelieses Schule in Méyer) abholen. Vertraute Menschen – das macht die Ankunft etwas leichter. Sie werden uns direkt nach Dano fahren – zumindest ist das der Plan (denke ich mir so während des Fluges). Wir haben noch knapp 2 Sunden Flugzeit. Ich mache noch für eine Stunde die Augen zu – etwas Schlaf und Ruhe kann nichts schaden. Die Gedanken treiben mich um.

Beim Landeanflug Port-au-Prince werden Erinnerungen wach. Besonders an meine erste Reise nach Haiti. Im Mai 2010. Glücklicherweise hat sich vieles verbessert – aber immer noch ist Haiti eines der ärmsten Länder der westlichen Welt.

Am Flughafen angekommen müssen Formulare ausgefüllt werden, damit man überhaupt einreisen darf. Wir haben uns am Gepäckband auf die Suche nach unseren Rucksäcken gemacht. Pures aber irgendwie auch organisiertes Chaos. Am Ende ist aber alles gut gegangen.

Wir verlassen das Flughafengebäude – da blicke ich schon in Pater Dominiques strahlendes Gesicht. Wir nehmen uns fest in die Arme – ich spüre das herzliche Willkommen. Emanuell wartet auf dem Parkplatz. Auch wir umarmen uns fest. Sein Auto ist immer noch das selbe – wie das in 2014. Bei uns würde man so ein Fahrzeug vermutlich langsam ausrangieren – hier tut es weiter seinen Dienst. Die Fahrt durch Port-au-Prince und die Vororte Richtung Süd-Westen ist schon ein großes Abenteuer. Viele Menschen auf den Straßen und den Gehwegen, viele Menschen  auf Motorrädern, in Sammeltaxen, in Bussen, Lkws – eigentlich überall. Der Verkehr ist mehr als gewöhnungsbedürftig – ich kann nicht wirklich Ordnung erkennen. Emanuell hat bei der Abfahrt am Flughafen alle Knöpfe an den Türen verschlossen – Vorsichtsmaßnahme. Aber auch ein Hinweis, aufmerksam und vorsichtig zu sein. Sobald wir aus dem Stadtbezirk draußen sind haben wir freie Fahrt – bis es zur Abzweigung an der Straße in West-Ost-Richtung – links ab in die Provinz Richtung Dano geht. Dieser Weg verdient nicht die Bezeichnung „Straße“. Dass hier überhaupt ein Auto fährt und fahren kann – grenzt schon an ein Wunder. Emanuell bringt uns ohne Zwischenfälle nach Dano. Hier werden wir herzlich von der ganzen Familie und allen, die um Pater Dominques Haus leben, begrüßt. Pater Dominique hat seinen Neffen Jameson eingeladen – er wird uns als Dolmetscher und Freund zur Verfügung stehen. Er wird uns noch viele gute Dienste tun – es wird eine wunderbare Freundschaft daraus entstehen. Wir werfen unsere Rucksäcke in unser Zimmer – hier steht ein Doppelbett mitten im Zimmer – eine Kommode – fertig. Im Zimmer ist es extrem warm – das verspricht eine schweißtreibende Nacht zu werden. Nach dem Essen (Reis mit Bohnen, Hühnchen und Rote-Beete-Salat – lecker), wurden wir noch auf eine Geburtstags-Party weiter oben in den Bergen eingeladen. Zu unserer Überraschung standen 2 Motorrad-Taxen vor der Tür. Auf jedem Motorrad haben 3 Personen Platz genommen. Auf ging es über die Holperstraße den Berg hinauf. Nach ca. 10 Minuten Fahrt waren wir dort. 2 Bier. Viel laute Musik. Unzählige Hände durften wir schütteln. Wir spüren, dass wir hier sein dürfen. Die Motorräder bringen uns wieder zu Pater Dominiques Haus. Noch kurz eine Dusche – schon das ist ein Abenteuer – eine kleine Baracke abseits vom Haus – ein Rohr ragt aus der Wand – Wasser marsch. Funktioniert. Dann ins Bett. Einschlafen war schwierig. Die Hitze und mein aktions- und bewgungswilliger Bettnachbar Felix haben das Einschlafen und die sonstige Nachtruhe zu einem speziellen Erlebnis werden lassen. An diese Nacht – die erste hier in Dano – werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Immer wieder döse ich mal ein.